Dortselbst.
Man stelle sich nun vor, was er geschrieben hat, als er wohlig im Café sass und nur ab und zu aus dem Fenster schaute, ob nicht doch L. vorbeiginge, meistens aber konzentriert schrieb und sich mühte, gerade Linien zu schreiben, nicht immer „alles wie aus der Pistole geschossen sagen zu wollen“ (Autobiografie, S. 23), sondern sich „Zeit für die Schrift und die Sätze und die Entwicklung der Gedanken zu nehmen“ (ebd., S. 73). Natürlich aber „blieb unterschwellig immer jener Gedanke präsent“ (ebd. 32) und drang „in immer verschiedenen Verkleidungen“ (ebd. 37) in seine Arbeit ein.
Olaf K., ein 73jähriger Rentner, eifriger Lesebriefschreiber und ehemaliger Liftjunge im Hotel Pension Waldesruh fand vor einigen Tagen auf seinem Dachboden jenes schwarze Notizbuch, in welchem Klumpfuss damals schrieb, als er in jenem Café sass, und der glückliche Finder beteuerte sogleich vor versammelten Medien, (seltsamerweise aufgetauchten) Mediävisten und (sich als ehemalige Geliebte ausgebenden) Mademoiselles, er habe es damals nicht entwendet und würde es auch heute, nachdem er einen Blick hinein geworfen hatte, nicht entwenden und wahrscheinlich hätte es ihm Klumpfuss heimlich zugesteckt, man weiss nicht warum, vermutlich aber mit bösen Hintergedanken – nun aber auf jeden Fall sei es zum Vorschein gekommen und er sei der festen Absicht, möglichst viel Geld damit zu machen, was sein gutes Recht sei, da Klumpfuss, schreiben sie das mit, da Klumpfuss, sage ich, knauserig und unhöflich gewesen sei und manchmal sogar Damenbesuch gehabt habe, ich zu all dem geschwiegen hatte und gleichwohl mir nichts verdankt worden sei, nur damit sie es wissen, nichts verdankt, jawohl.
Nachdem das Büchlein für ein Butterbrot dem senilen Olaf K. entrissen worden war, machten sich die üblichen Heerscharen Doktoranden an die Entzifferung und schrieben ein halbes Dutzend mittelmässiger Bücher darüber. Zunächst die übereinstimmend als Schlüsselstelle identifizierte Passage aus dem Büchlein:
Folgenden Gedanken geht mir gerade vorüber, in einem blauen Mantel und mit grazilen Schritten, ich am Fensterplatz, ob meine neue Frisur wohl nach was aussieht? kommt endlich mein Kaffee? nun, worüber könnte ich schreiben. Irgend so Gedanken. Ja ja. Dieser Schnösel von Liftjunge damals im Schwarzwald hat mir bestimmt mein Notizbuch geklaut. [Diese Stelle verleitet all diejenigen, welche sie nicht einfach strategisch überlesen, zu wilden Thesen, die allesamt falsch sind.] Mir fällt nichts ein. Es regnet in Strömen. Es regnet in Strömen. In Strömen. Wie Kai aus der Kiste. Wie aus der Pistole geschossen. Im Schweinsgalopp. Mademoiselle, bitte im Schweinsgalopp daher mit meinem Kaffee! Ah, endlich kommt sie, betont langsam, aber hübsch ist sie, hoffentlich liest sie nicht mit. Hallo! Liest du mit! Wie wärs mit einem Rendezvous!
Hier brechen die Aufzeichnungen ab, was Gegenstand wilder Spekulationen ist. Kai-Olaf von Schweins-Galopp etwa schreibt dazu: „Hier brechen die Aufzeichnungen ab, was bisher Gegenstand wilder Spekulationen war, ich aber habe zweifelsfrei die Lösung deduziert: wandelt man nach dem im Anhang 3 abgedruckten Schema die Buchstaben in Zahlen um und nimmt von jeder Zeile die Quersumme, welche man dann als Koordinaten in google maps eingibt, landet man beim Luftbild der Wohnung, in welcher, wie mir das Bürgeramt des betreffenden Arrondissements versichert, zu jener Zeit als einzige ledige Frau eine Mademoiselle Caroline P. wohnte, welcher man (so der Sohn des damaligen Concierge, welcher allerdings im Algerien-Krieg eine Kopfverletzung erlitten hat, aber nach Aussage seiner Pflegerin trotzdem „fast immer daneben, manchmal aber nur haarscharf“ liegt, soll mal einer wissen, was die gemeint hatte, ich glaube auf jeden Fall, dass sie bald heiraten) gelegentlich Herrenbesuche nachsagte. Es bleibt also nur noch zu sagen: voila. Der Fall ist offensichtlich gelöst.“ (S. 7, es folgen noch 400 weitere Seiten, in welcher alle möglichen Einwände vorweggenommen werden). Kai Kiste in einem fulminanten Aufsatz in den Klumpfuss-Studien (03/1997) wandte dagegen ein, von Schweins-Galopp sei bekanntlich ein Scharlatan und habe, was ebenso bekannt sei, seinen Doktortitel nur aufgrund seines, haha, adeligen Namens, zudem habe in jenem Haus, wie der benachbarte algerische Gemüsehändler, dessen Familie das Geschäft schon in der 3. Generation betreibe, ihm bei einigen vertraulichen Gläsern Tee verraten, dass Caroline P. dortselbst bloss drei Monate gewohnt, zudem stets freundlich gegrüsst und sich also bestimmt nicht mit dem (wie man unlängst den Zeitungen entnehmen konnte) knauserigen, unhöflichen und vulgären K. Klumpfuss eingelassen habe.
Wie dem auch sei. (Mit einem solchen „wie dem auch sei“ schloss Karl Klumpfuss – wenn uns diese kleine Bemerkung noch gestattet sei – jahrelang seine (wie man sagt: konfusen und ergebnislosen) Vorlesungen ab.)
Olaf K., ein 73jähriger Rentner, eifriger Lesebriefschreiber und ehemaliger Liftjunge im Hotel Pension Waldesruh fand vor einigen Tagen auf seinem Dachboden jenes schwarze Notizbuch, in welchem Klumpfuss damals schrieb, als er in jenem Café sass, und der glückliche Finder beteuerte sogleich vor versammelten Medien, (seltsamerweise aufgetauchten) Mediävisten und (sich als ehemalige Geliebte ausgebenden) Mademoiselles, er habe es damals nicht entwendet und würde es auch heute, nachdem er einen Blick hinein geworfen hatte, nicht entwenden und wahrscheinlich hätte es ihm Klumpfuss heimlich zugesteckt, man weiss nicht warum, vermutlich aber mit bösen Hintergedanken – nun aber auf jeden Fall sei es zum Vorschein gekommen und er sei der festen Absicht, möglichst viel Geld damit zu machen, was sein gutes Recht sei, da Klumpfuss, schreiben sie das mit, da Klumpfuss, sage ich, knauserig und unhöflich gewesen sei und manchmal sogar Damenbesuch gehabt habe, ich zu all dem geschwiegen hatte und gleichwohl mir nichts verdankt worden sei, nur damit sie es wissen, nichts verdankt, jawohl.
Nachdem das Büchlein für ein Butterbrot dem senilen Olaf K. entrissen worden war, machten sich die üblichen Heerscharen Doktoranden an die Entzifferung und schrieben ein halbes Dutzend mittelmässiger Bücher darüber. Zunächst die übereinstimmend als Schlüsselstelle identifizierte Passage aus dem Büchlein:
Folgenden Gedanken geht mir gerade vorüber, in einem blauen Mantel und mit grazilen Schritten, ich am Fensterplatz, ob meine neue Frisur wohl nach was aussieht? kommt endlich mein Kaffee? nun, worüber könnte ich schreiben. Irgend so Gedanken. Ja ja. Dieser Schnösel von Liftjunge damals im Schwarzwald hat mir bestimmt mein Notizbuch geklaut. [Diese Stelle verleitet all diejenigen, welche sie nicht einfach strategisch überlesen, zu wilden Thesen, die allesamt falsch sind.] Mir fällt nichts ein. Es regnet in Strömen. Es regnet in Strömen. In Strömen. Wie Kai aus der Kiste. Wie aus der Pistole geschossen. Im Schweinsgalopp. Mademoiselle, bitte im Schweinsgalopp daher mit meinem Kaffee! Ah, endlich kommt sie, betont langsam, aber hübsch ist sie, hoffentlich liest sie nicht mit. Hallo! Liest du mit! Wie wärs mit einem Rendezvous!
Hier brechen die Aufzeichnungen ab, was Gegenstand wilder Spekulationen ist. Kai-Olaf von Schweins-Galopp etwa schreibt dazu: „Hier brechen die Aufzeichnungen ab, was bisher Gegenstand wilder Spekulationen war, ich aber habe zweifelsfrei die Lösung deduziert: wandelt man nach dem im Anhang 3 abgedruckten Schema die Buchstaben in Zahlen um und nimmt von jeder Zeile die Quersumme, welche man dann als Koordinaten in google maps eingibt, landet man beim Luftbild der Wohnung, in welcher, wie mir das Bürgeramt des betreffenden Arrondissements versichert, zu jener Zeit als einzige ledige Frau eine Mademoiselle Caroline P. wohnte, welcher man (so der Sohn des damaligen Concierge, welcher allerdings im Algerien-Krieg eine Kopfverletzung erlitten hat, aber nach Aussage seiner Pflegerin trotzdem „fast immer daneben, manchmal aber nur haarscharf“ liegt, soll mal einer wissen, was die gemeint hatte, ich glaube auf jeden Fall, dass sie bald heiraten) gelegentlich Herrenbesuche nachsagte. Es bleibt also nur noch zu sagen: voila. Der Fall ist offensichtlich gelöst.“ (S. 7, es folgen noch 400 weitere Seiten, in welcher alle möglichen Einwände vorweggenommen werden). Kai Kiste in einem fulminanten Aufsatz in den Klumpfuss-Studien (03/1997) wandte dagegen ein, von Schweins-Galopp sei bekanntlich ein Scharlatan und habe, was ebenso bekannt sei, seinen Doktortitel nur aufgrund seines, haha, adeligen Namens, zudem habe in jenem Haus, wie der benachbarte algerische Gemüsehändler, dessen Familie das Geschäft schon in der 3. Generation betreibe, ihm bei einigen vertraulichen Gläsern Tee verraten, dass Caroline P. dortselbst bloss drei Monate gewohnt, zudem stets freundlich gegrüsst und sich also bestimmt nicht mit dem (wie man unlängst den Zeitungen entnehmen konnte) knauserigen, unhöflichen und vulgären K. Klumpfuss eingelassen habe.
Wie dem auch sei. (Mit einem solchen „wie dem auch sei“ schloss Karl Klumpfuss – wenn uns diese kleine Bemerkung noch gestattet sei – jahrelang seine (wie man sagt: konfusen und ergebnislosen) Vorlesungen ab.)
hochzusammengesetzt - 27. Aug, 20:40