tierpark

Edgar oder Der Privatsekretär

the Republic of Letters may be under threat

endlich, ein buch.

so nahm es endlich ein Ende.

Während ihr Gatte sich im nächsten Hafen mit einer polnischen Diplomatentochter absetzte, reiste Elisabeth Patrizia von Schönbein-Lübeck mit dem erstaunlich galanten Karl Klumpfuss bis nach Neuyork, wo dieser selbst sich mit einer polnischen Diplomatentochter absetzte. Kurzentschlossen heiratete sie sodann einen Mr Green oder Black, wer weiß das schon so genau, und widmete sich fortan der Erziehung ihres achtjährigen Sohnes, der ihrem Wunsch gemäß zu einem echten Американский мальчик heranwuchs. Georg Georg Georg Green, der mit drei gleichen Namen gesegnete Junge, schlug nach dem Besuch der besten Schulen auf Anraten seines liebevollen Adoptivvaters eine juristische Laufbahn ein, dank welcher er sich bald schon in den höchsten Kreisen des aufstrebenden Landes bewegte und sich in die mächtigsten Familien einheiratete, eine nach der anderen.

Klumpfuss unterdessen war auch Weronika-Oliwia überdrüssig geworden oder vielleicht auch sie ihn, auf jeden Fall trennten sie sich in Southampton auf Nimmerwiedersehen, wie sie beide hofften, und Klumpfuss reiste allein weiter in einen jener berühmten südfranzösischen Küstenorte, die damals noch jenen Charme versprühten, der heute, wie jederman weiss, schon lange ausverkauft und verraten worden ist. Dortselbst sass er in einem Café nieder, für welches dasselbe gilt, und fing nach langer Zeit endlich wieder selbst zu schreiben an, in langen verschachtelten Genitivsätzen, wie wir sie von ihm lieben oder zumindest liebten, damals als er sie schrieb, während hungrige Verleger unauffällig an den Nebentischen sassen, einander gegenseitig argwöhnisch bewachten und zu viel Pastis tranken.

Edgar seinerseits hatte seine Geschichte teuer an Paris Match verkauft und befand sich geläutert und gereift in einem Zug, mit dem er dorthin fuhr, wo die verhängnisvolle Geschichte seinen Ausgang genommen hatte.

...

unglaublich wie lange so Bälle dauern können.

Weltmännisch den Arm anbieten

Traditionellerweise bildet der Ball den Höhepunkt einer Überfahrt. Wir sehen Karl Klumpfuss, unterdessen in die Erste Klasse aufgestiegen, gerade daran, seinen Schnurrbart zu zwirbeln. Einige wenige Kabinen davon entfernt klappt Elisabeth Patrizia von Schönbein-Lübeck entschieden ihren Schminkspiegel zu. Im Hintergrund poliert ihr Gatte, seines Zeichens Offizier der deutschen, englischen und russischen Marine, gelangweilt seine Duellierpistolen und teilt seiner bezaubernden Gattin mit, dass er, wie er schon mehrmals angekündigt habe, sie nicht auf den Ball begleiten werde, da nur Zivilisten in Friedenszeiten Bälle besuchen. Elisabeth Patrizia verzieht ihren karmesinrotgeschminkten Mund. Klumpfuss rückt unterdessen seine Fliege zurecht, wirft einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, schliesst seine Kabine zu und schreitet pfeifend die Grosse Treppe hinunter Richtung Ballsaal. Elisabeth Patrizia macht wütend ihren Spiegel einige Mal auf und zu und rauscht schliesslich in einer Wolke teuersten Parfüms aus der Kabine. Ihr Gatte poliert ungerührt weiter. Man sieht nun schon kommen, was auch so kam: Klumpfuss an der Bar mit prüfenden Blick im Raum umher erblickt die bezaubernde Offiziersgattin, die mit wütend funkelnden Augen in den Ballsaal stürmt. Jene ohne niemandem einen Blick zu würdigen schnappt sich als allererstes von einem Kellner ein Glas Champagner, stürzt es herunter und nimmt beim nächsten – sie sind wohlweislich immer gerade dort, wo man sie bracht, ganz anderes als hierzulande, wo man sie meistens zuerst aus der Küche hervorzehren muss, wo sie in Rudeln sich mit Kochwein betrinken, Karten spielen und mit den Küchenmädchen anbändeln – ein weiteres. Etwas beruhigt dadurch blickt sie auf. Klumpfuss unterdessen vor ihr stehend schaut weltmännisch zurück und bietet ihr den Arm an. Rundherum bleiben reihenweise Offiziere stehen, keuchend unter der Last ihrer Abzeichen, Auszeichnungen, Kreuzen, Sternen, Bannern und Klumpfuss wusste auch nicht mehr was alles. Sie alle hatten sich beim Eintritt von Elisabeth Patrizia auf sie hin zu bewegen begonnen und kratzten sich nun verlegen am Kopf und taten, als ob ihnen gerade eingefallen war, dass (i) sie doch lieber etwas an der Bar trinken wollten, (ii) ihre Ärzte ihnen strengstens verboten hatten, zu tanzen, da Arthritis, Asthma oder Hirnverfettung, (iii) ihre Gattinnen am Rande des Saals sie mit Argusaugen überwachten.

Ensembles of dramatic pitons and mornes.

Das Boot war also voll, und Klumpfuss musste sich mit einer Drittklass-Kabine begnügen. "Vorerst", wie der Erste Offizier versicherte, doch Klumpfuss glaubte ihm kein Wort, sah er doch aus wie sein Grundschullehrer, welcher ihn nicht hatte ausstehen können. Eine solche Physiognomie sei die körperliche Gestalt der Gemeinheit, jedermann von Verstand könne dies erkennen; das Verhältnis von Augenbraue zur Krümmung des Mundes insbesondere sei ein Kennzeichen des Sadisten, es erinnere ihn auch an seinen Hauptmann, der, wie er immer vermutet hatte und sich dann auch tatsächlich herausstellte, ein Cousin seines Grundschullehreres war; die Stirn ebenfalls sei bezeichnend, aber er möchte jetzt darauf nicht eingehen, das sei schliesslich ein Gemeinplatz – so diktierte Klumpfuss dem unermüdlichen Edgar, kaum hatte dieser es ihnen halbwegs bequem gemacht in der engen Kabine. Die Kabine. Denn auf die Dauer sind die Seelenregungen des Protagonisten ermüdend. Ungefähr eineinhalb auf zweieinhalb Meter gross war sie und dieser knappe Platz war grösstenteils durch zwei enge Pritschen eingenommen. Tief unter der Wasseroberfläche im Bauch des Schiffes, und wie es sich anhörte gerade neben dem Motorraum. Es war – wie Klumpfuss diktierte – "klaustrophobisch", und für einen kurzen Moment war er doch ganz zufrieden, immerhin endlich einmal dieses Wort gebrauchen zu können; klaustrophisch also, damit könne man nicht alle Tage seine Lage beschreiben; die meisten kennen solche Wörter ja nicht aus eigener Anschauung, sondern haben sie irgendwo aufgelesen, und gerade die, welche die meisten solcher Wörter kennen, seien die, für deren Tage eine Handvoll Begriffe mühelos ausreiche. Solche Lehnstuhlliteraten, auf die pfeife er, in solch einer Drittklass-Kabine müsse man einfach einmal übernachtet haben, genächtigt haben, wollte ich sagen, um glaubwürdig über Zeiten und Tage schreiben zu können. Diese und jene Worte im Mund führen könne ja mancher, aber Maulhelden seien das allesamt. Wachspropfen, man wisse gar nicht, was für ein Segen das sei. Man solle ihm solche holen, dieser Motor sei ja nicht auszuhalten. Zwei drei Tage, habe der Erste Offizier gesagt, bis nach Fort-de-France, wo die französischen Offiziere, Gockel allesamt, welche die Erstklass-Kabinen besetzt hielten, von Bord gehen würden. Martinique, schlug Klumpfuss nach, is an island in the eastern Caribbean Sea. The north is mountainous and lushly forested. It features four ensembles of dramatic pitons and mornes. The south is more easily traversed, though it still features some impressive geographic features.

Leider macht man sich Illusionen.

Und ich hatte mir vorgestellt – schrieb Karl Klumpfuss in sein Notizbuch –, daß seit der Einrichtung von Flugverbindungen zwischen Europa und Südamerika nur noch wenige Exzentriker mit dem Schiff reisen würden! Leider macht man sich Illusionen, wenn man glaubt, daß das massenhafte Auftreten eines neuen Elements ein anderes entlastet. Durch die Constellation findet das Meer ebensowenig zur Ruhe zurück, wie der serienmäßige Verkauf von Grundstücken an der Côte d'Azur der Umgebung von Paris wieder zu ihrem ländlichen Charakter verhilft.

MS Adelaide

Es war dann alles so schnell gegangen. Klumpfuss hatte gerade noch seine Kleider zusammenraffen, mit einem Anklang von Wehmut der noch schlafenden Emilia Pompe über die Haare streichen, zwei drei Bücher in seinen Koffer werfen und Edgar aus der Hotelbar rauszerren können – die Gangway wurde eingeholt, noch während die beiden ins langerwartete Schiff hasteten.

Señor Klumpfuss unterdessen am Quai entlanggehend.

Señor Klumpfuss unterdessen am Quai entlanggehend hängt trotz allen gegenteiligen Versicherungen immer noch jener Geschichte nach. Er und Lucia (in dieser Reihenfolge dachte er), zunächst Mal aus Verlegenheit ins Gespräch gekommen, weil diejenige, die er im Auge hatte, den ganzen Abend schon (monatelang, wenn man ehrlich ist), lieber mit diesem und jenem, und wenn sie doch einmal alleine stand er den Mut nicht aufbrachte (trotz, nach Angaben von Freund Wönzel-von Ützel, gelegentlichen Blicken ihrerseits). Und auf der anderen Seite Lucia, überfordert von kühnen Worten, vermögte zwar ab und an den ihren auf der Nase herumzutanzen, längerfristig hingegen ging ihr die rechte Haltung ab. Und was davon falsch verstanden wurde, ging ihr dann erst recht zu weit. Und so hielt sie sich notgedrungen fest an ihm, während er wehmütig ihr sich zuwandte. Dieser schlechte Stern, der über den ersten Wochen hing, schien schon bald zu verschwinden.

Wir trafen die beiden schon einmal an zwischen Tür und Angel, mit trocknendem Kuss auf den Lippen die Treppe hinunterhastend und gerade noch ums Eck geschafft, vor dem Wönzel-von Ützel schwerfällig sein Fahrrad vor Klumpfussens Türe anband (das dritte schon war weg gekommen innerhalb Jahresfrist, und er hatte, wie er sagte, die Nase gestrichen voll. Es sollte, das müsse er jetzt trotzdem mal laut sagen, einer für Ordnung sorgen. Eigenverantwortung, sagte er, unsereiner hat seit der Muttermilch nichts mehr geschenkt bekommen, und selbst die war zuviel und hat uns die falsche Vorstellung mit auf den Weg gegeben über den Gang der Welt. Wenn man hingegen, wie es zumeist geschah, oh ja, er wisse das, man sehe schliesslich tagtäglich die Folgen, auf Schritt und Tritt den Rock gelüpft, was sage ich da, die Tasche nachgetragen, das Geld also einem hinten nachgeworfen ... tatsächlich beginnt ja schon bei den Begriffen, was in der Wirklichkeit sein Unheil treibt ... beispielsweise, und ich greif hier nur eines unter vielen auf, das Steuergeschenk, welches suggeriert, hier werde aus Gutmütigkeit und einer Prise Eigennutz - noch spielt der Wettbewerb - auf Einnahmen verzichtet, welche einem rechtmässig zustünden. Rechtmässig, man stelle sich das vor! Vielmehr ist jeder Rappen, den ich abgeben werden muss (noch, zum Glück, sind es keine), eine Zumutung, oder vielmehr einen Diebstahl. Schon gut, sage ich, Wönzel-von Ützel, du solltest vielleicht mal die Zeitung wechseln, es scheint dir nicht gut zu bekommen). Während Wönzel-von Ützel also schwerfällig sein Fahrrad anband und Lucia innerlich (wo immer das war) noch ganz erzittert die Querstrasse entlang tanzte, stand Klumpfuss mit klopfendem Herzen in der Küche, als die Klingel schrillte.

Nach dem eher notgedrungenen Beginn wurden sie hingegen bald Einherzundeineseele, ein Fall dieser seltsamen Zweisamkeit, wie sie gelegentlich vorkommen kann, und mit der Wönzel-von Ützel Klumpfuss schon einige Wochen in den Ohren lag. Er hatte gelesen, sagte dieser jenem wieder und wieder, einen Roman, frühes mittleres neunzehntes Jahrhundert möglicherweise, nicht einmal die Daten kennen wir mehr, irgendwann also, von irgendwem, einem Deutschem wahrscheinlich, oder ansonsten sehr gut übersetzt. Dort drinnen also sei exemplarisch festgehalten worden, wie es dazu komme, was daraus werde und wie es ende, und dies würde er gerne, zumindest etwas über die erste Hälfte hinaus, selbst erfahren. Denn all dies Gelesene, du kennst das ja, immer hinter deinen Büchern, ist letztenendes doch nur Druckerschwärze auf Papier und wenn man ehrlich ist höchstens eine etwas umständliche Bedienungsanleitung. Den einen oder anderen guten Spruch habe er ja schon davon mitgenommen. So ein eleganter Dialog hätte noch jede beeindruckt, die mitzuhalten vermocht hatte, und um die anderen war es nicht schade gewesen.

Bald schon begann Karl Klumpfuss sich seltsam leer und verlassen vorzukommen, wenn nur schon Lucia im Schlaf sich drehte und ihm den Rücken zuwandte. Dieser aber, der dies nach einigen Wochen doch etwas viel wurde, öffnete wieder ihr Ohr für die schmeichelnden Worte, die jeder zweite, dem es gelang, mit ihr ins Gespräch zu kommen, ihr zu sagen wusste. Schliesslich sei sie neu hier und es sei ihr gutes Recht und, rechtverstanden, ihre Pflicht, die Angebote zu prüfen, immerhin drücke auch er, wenn sie einkaufen gingen, gut und gerne auf vier oder fünf Tomaten herum, bis er die fand, die ihm reif genug schien; und beileibe nicht nur mit den Tomaten tue er das, so schüchtern, wie er sich gerne gebe, sei er wohl auch wieder nicht, davon könne bestimmt manche ein Lied singen, wenn auch noch nur sie diejenige war, die auch zum Tanzen kam.

Diese Beziehung, sagte sich Karl Klumpfuss (wir befinden uns inzwischen wieder im hier und jetzt), der sich unterdessen auf eine glücklich plazierte Mole hatte niederlassen müssen, man war nicht mehr der Jüngste und die Pesthitze, die hier herrschte, tat das übrige, diese Beziehung trieb seltsame Blüten. Während ich von Tag zu Tag mehr und mehr verkümmerte, schien sie über sich hinauszuwachsen, wie der verdammte Dschungel, der diese jämmerliche Hafenstadt mehr und mehr erwürgt: Die prächtigen Kolonialbauten verfallen in dem feuchtkranken Klima, nur zwei drei Balkone, die noch nicht weggebrochen sind, der Stuck schon längst weggefressen, und ringsum das dunkelgrüne Wuchern, einige Aussenquartier mussten schon aufgegeben werden, doch die Bevölkerung apathisch in ihren Hängematten, höchstens gegen Abend ein kurzes Aufbäumen. Wir müssen hier weg, Edgar ist kaum mehr wiederzuerkennen als der aufgeweckte junge Mann, als den ich ihn in Diensten nahm, ich glaube er verachtet mich, was äusserst unverständlich ist, und wird mir früher oder später ... aber diese Gedanken führen zu nichts, wie damals schon, als ich sie endlich musste ziehen lassen, nachdem ich sie, wie ich mir damals noch zugute hielt, unendlich vorsichtig gezogen hatte aus einem schwächlichem Keim. Man muss im Übrigen auch mal dieser Geschlechtermetaphysik auf den Grund gehen, wenn auch das natürlich nur mein Zeitalter ist, das mir den Mund und die Gedanken formt. Item. Es war mir auch damals schon klar ... aber ich sollte diese alten Sachen nicht aufwärmen, es ist hier heiss genug hier, ich habe sie - das versicherte ich auch dem längst überdrüssigen Edgar, treue Seele - heute das letzte mal erwähnt, fortan sollten wieder die erfreulichen Kapitel meines Lebens zur Sprache kommen ... wenn nur bald das Schiff kommt, seit Monaten überfällig, auch gehen die Vorräte in der Stadt langsam zur Neige, während der Gouverneur unverdrossen Empfang nach Empfang gibt und von Stunden oder höchstens Tagen spricht, bis es eintreffen werde, man solle den Kopf nicht hängen lassen, undsoweiter.

schwerfällig, schnaufend.

"So war das also", diktierte Klumpfuss Edgar (Edgar: inzwischen bärtig, hager und ausgebrannt) ins Schreibheft, "und hiermit schliesse ich dieses dunkle Kapitel." Klumpfuss erhob sich dann, schwerfällig, schnaufend, an Edgars Schulter geklammert. Der herbeigewinkte Kellner begleitete ihn heraus, wo er einige Minuten reglos vor der beinahe leeren Bar stand, um endlich mit den langsamen Schritten eines wichtigen Mannes am Quai entlangzugehen. "Entlangzuwatscheln", schrieb Edgar in sein Notizbuch, seufzte, und strich es wieder aus. Der mitleidsvolle Kellner brachte ihm unaufgefordert den Pastis, oder war es Raki, wer weiss schon in welchem Land wir inzwischen sind, milchweiss werden sie alle beide, was solls...aus diesen Heften soll also wohl einmal Weltruhm entsteigen, doch wie immer werden diejenigen, die im Schweisse ihres Angesichts...wenn er nun, in Gedanken versunken, ins Wasser fällt...ein Abgang, der ihm sogar gefallen würde, besser also eines dieser Mopeds scharf rechts vorbei. Man muss sich das überhaupt einmal vorstellen, auf dieser verdammten Insel besitzt ausser dem Gouverneur kein Mensch ein Auto (dieser allerdings gleich fünf oder sechs), sogar der Arzt fährt auf einem dieser Mopeds.

Edgar blätterte mechanisch zurück und begann mit der üblichen Überarbeitung, die aus Klumpfussens langfädigen Diktion elegante Sätze schälte. Sätze, die selbstverständlich darin schon angelegt waren, wie das beispielsweise auch die Statuen in den Steinblöcken sind; man muss nur weghauen, was ohnehin nicht hinzugehört, das macht die ganze Sache viel einfacher. Von Edgar ist, dies wird jeder einsehen, bloss etwas handwerkliches Geschick gefordert, die grosse Leistung stammt vom alten Herrn, der sich am Spaziergang am Quai von seinen Strapazen erholte.

"Die 'Kraft' hat ihn überwältigt", sagte Edgar spöttisch in die Stille der alten Bar hinein, doch die drei alten Männer, die Klumpfuss vor ein paar Tagen in einem Anfall von Konventionalität als 'Inventar' bezeichnen wollte, bemühten sich längst nicht mehr, ihre Köpfe umzudrehen, um den irren Ausländer, dem Gefährten des ehrenwerten Señor Klumpfusses, schamlos anzustarren. Seltsamerweise war der eine ja ein Ehrenmann, Jagdpartner und vielleicht auch Schwiegersohn, man wusste es nicht genau, des Gouverneurs. Der andere aber schrieb andauernd in seinem Buch, während Señor Klumpfusses mit grossem Bemühen Konversation zu machen versuchte. Sobald dieser aber enttäuscht über die Unhöflichkeit seines Landsmannes zu diesem oder jenem Empfang oder auch nur zu einem Spaziergang entlang unserem malerischen Quai aufbrach, sprudelte es aus ihm hervor, nicht nur mit einer Stimme, sondern mit dreien oder vieren. Er sei besessen, sagten die alten Frauen, und die Männer spuckten zu Boden und sagten, er sei ein Narr und unverständlich sei es, warum Señor Klumpfuss sich noch mit ihm abgab.

Die Nacht, sagte sie, sei zappenduster. Aber ihre Haare würden mir, wie sie versprach, den Weg leuchten.

"Einfach geniessen", murmelte Klumpfuss und runzelte die Stirn.

Dass das so einfach war, hatte er damals auch gedacht und sich Hals über Kopf in diese Geschichte - hier seit Monaten weitausholend vorgezeichnet - gestürzt.

Lucia, mit "knisterndem Haar und matt glänzenden Augen" (wie ich es damals formulierte in einem ersten Romanentwurf, der unterdessen bestimmt, ich hoffe es sehr, auf irgend einem staubigen Dachboden seiner Entdeckung harrt), schrie in den Wind, ich solle doch endlich ihr Hand nehmen; das war am zweiten Abend und mein vorsichtig eingespieltes Leben, von einer eigentümlichen Vorahnung einige Wochen vor Lucias Ankunft in leichte, noch harmlose scheinende Schwankungen gebracht, lief vollends aus dem Ruder (schwere, rollende See von achtern).

Ich habe lange nachgedacht über diese Sache und bin ziemlich sicher, dass ich das nicht einfach nachträglich mir zurechtgelegt habe. Freunde bestätigten mir, dass ich seltsam rastlos gewesen war schon einige Zeit vor jenem verhängnisvollen Sommerabend, als Justus Wönzel-von Ützel ahnungslos mich auf ein Bier einlud mit "irgendsoeinem Mädchen aus meinem Dorf, nein nein, ich kenn sie kaum. Haha. Ich weiss nicht. Hoffen wir es doch. Was sagst du? Nein, die Tochter der Bekannten der Freundin meiner Mutter. Haha. Ja, tatsächlich. Aber so schlimm ist das nicht, es ist ja, das weisst du doch, nicht eines dieser abgelegenen Bergtäler, sie ist nicht zugleich auch meine Schwester".

Ich bin zum Schluss gekommen, dass unsere scheinbar einzelne Existenzen von einer übergeordneten Kraft bestimmt sind, welche ganz eigenen Gesetzen gehorcht, in die wir Menschen nur selten Einblick erhalten. In dieser Kraft nun gibt es dann und wann eigentümliche Ballungen. Ich denke, man arbeitet hier am besten mit meterologischen Begriffen. Demnächst werde ich einen Versuch darüber vorlegen. Möglicherweise spiegeln sich die Bewegungen jener Kraft auch mehr oder weniger direkt in den tatsächlichen Wetterphänomenen wieder und man kann alten Volksglauben in neues, wissenschaftlich untermauertes Recht bringen.

Wie sich also, um wieder zum Punkt zurückzukommen, Wetterumschläge vorankündigen, tun dies auch grosse Ereignisse. Man wird sich beispielsweise deutlich an das grosse Hochwasser erinnern, welche vor Lucias Ankunft die Keller unserer Stadt bedrohte. Jedermann von Verstand wird sehen, dass dies unertrüglich verknüpft ist mit der Bedrohung, die Lucia für mich darstellte, und wie die Uferböschungen unserer Stadt mitgerissen wurde, wurde kurz darauf ich mitgerissen, so sehr ich mich dagegen sträubte (vergleiche auch, vor langer langer Zeit verfasst, wie viel anders war doch damals alles, diesen Beitrag).

Diese Kraft (ich suche noch nach einem passenden indischen Namen dafür) sucht sich nun, anders als das Wetter (man muss aufpassen, dass man die Analogie nicht zu weit treibt und sich von Bildern von der Sache wegleiten lässt), bestimmte Individuen aus, in welchen sie sich manifestiert. Ich bin mir noch im unklaren, ob diese zufällig zur rechten Stelle sind oder gezielt ausgesucht werden, welch letzteres für mich natürlich äusserst schmeichelhaft wäre. Doch meine wissenschaftliche Redlichkeit verbietet es mir selbstverständlich, persönliche Beweggründe in meine Forschungen einfliessen zu lassen. Wir gehen vorerst also davon aus, dass ich rein zufällig Agent und Epizentrum der Kraft wurde.

Lucia und ich waren also blosse Spielbälle, was nachträglich einiges entschuldigt, und auch mein Freund Justus Wönzel-von Ützel wird mir verzeihen müssen, nachdem er meine eingehenden Studien zur Kraft und ihrer Wirkung auf uns Menschen zur Kenntnis genommen hat.

on the same morning, or a couple of days later, on the terrace.

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oh, they don't go to sleep, quelle idée.

Discontinued
nämlich ist ab Mai 2010 hochzusammengesetzt abgeschlossen...
hochzusammengesetzt - 14. Sep, 20:37
So, so. Wieder heimlich...
So, so. Wieder heimlich am Schreiben.
nuss - 25. Mai, 13:39
Eine thierisch und ekelhaft...
Während Otto Brodt sich noch immer in sein Studierzimmer...
hochzusammengesetzt - 23. Mai, 19:21
zum Tag der Arbeit
Brutal ist das, sagte er mit Nachdruck, total abartig...
hochzusammengesetzt - 24. Aug, 00:35

dostoevski liked it with raspberry syrup.

reconstruct the deepest past.

 

stop saying 'the player'. it is either you or me.

Online seit 6306 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 14. Sep, 20:37

firmly outlined with the point of a stick.

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