Irgendeine Nichtigkeit, an die wir uns heute beide nicht mehr erinnern.
Während ich also ein undeutliches Erinnern mimte (ich tat so als ob ich mich Lucia nicht entsinnen konnte), dachte ich freudig an die letzten Wochen, während denen ich mich zunächst hie und da und dann bald schon täglich mit Lucia getroffen hatte. Es hatte begonnen mit einer kleinen Lüge, aber wen kümmert so was jetzt, mich zumindest nicht und sie wusste nicht darum und weiss, soviel mir bekannt ist, auch heute noch nicht darum. Aber wir sollten nicht so eilig vorwärts preschen, alles schön der Reihe nach, eines nach dem anderen. Lucia sagte: "Gut Ding will Weile haben. Ich geh jetzt besser nach Hause." So war das gewesen, kurz bevor Justus Wönzel-von Ützel die Treppe raufgestürmt kam und um ein Haar mit Lucia zusammengestossen wäre. "Was wäre so schlimm daran gewesen?", fragte Edgar kopfkratzend stirnrunzelnd.
Edgar, da ist er wieder. Wir hatten ihn schon vermisst. Edgar - für diejenigen, die später zu uns gestossen sind - Edgar ist der treue Privatsekretär Karl Klumpfuss', angeheuert vor einiger Zeit, sagen wir mal, vor ein paar Monaten, im damals noch winterlich kalten grauen nassen ungemütlichen Zürich (der vierte Oktober war es, genaugenommen. Also möglicherweise doch ein schöner sonniger Herbsttag, und Klumpfuss und Edgar statt in der Kronenhalle das Anstellungsgespräch zu führen flanieren der Seepromenade entlang, knietief in gelben und roten Laub, und Klumpfuss legt schon bald seine Hand auf Edgars Schulter und sagt, dass er die Anstellung habe, wenn er sie wolle, wovon er, Karl Klumpfuss, ohnehin ausgehe). Mittlerweile sind sie über Italien und einem von der Forschung noch nicht lokalisierten Dinner auf eine Insel gelangt, wie das Protagonisten seit eh und je geschieht, ein beliebter Topos, wie sie alle wissen, sie brauchen das also wirklich nicht aufzuschreiben. (Aufgeregtes Gemurmel.) Na, mir soll's recht sein, tun sie was sie nicht lassen können. Zu meiner Zeit... aber lassen wir das. Auf einer Insel also, wo Emilia Pompe, bildhübsche Tochter des Gouverneurs, Erinnerungen an Lucia weckte. Die Begegnung war, wie Klumpfuss später in seinem Tagebuch notieren sollte, vergleichbar beinahe mit Prousts heutzutage leider zum Gemeinplatz verkommenen (Aufgeregtes Gemurmel.) Biss in die Madeleine.
Aber hören sie, wenn ich immer diese Rekapitulationen machen muss, ist die Stunde um, vor dem wir überhaupt einen Schritt weitergekommen sind. Wir haben dieses Semester noch viel vor, ich muss ihnen von meinen neusten Forschungen erzählen.
Edgar also fragt, warum er, Klumpfuss, fürchtete, dass jener, Justus Wönzel-von Ützel, ihr, Lucia, hätte begegnen können im Treppenhaus, wenn sie, Lucia, nicht diese unertrügliche Vorahnung gehabt hatte und mitten im Kuss, es war erst der zweite oder dritte, den wir gewechselt hatten, und wir waren, so fand ich, Karl Klumpfuss, langsam richtig warm geworden dabei, wenn Lucia also nicht mitten im Kuss gesagt hätte: "Gut Ding will Weile habe." Mich ziemlich verdutzt zurücklassend nahm sie ihre Tasche und ging, kam wieder, stürmte ins Bad und kämmte ihre Haare, um dann hastig und polternd im Treppenhaus zu verschwinden.
Die Sache nämlich war, dass Wönzel-von Ützel, wie man schon längst ahnt, sich einige Hoffnungen machte, welche Lucia zudem auch noch sich zu schüren befleissigte. Dabei hätte ihre Schönheit längst dafür ausgereicht, wir waren ja beide vom ersten Moment an hin und weg, was nur allzubald in unsere vorher untrübbare Freundschaft sickerte (schon zwei oder drei Tage nach ihrem Auftauchen sind wir uns das erste Mal in die Haare geraten, um irgendeine Nichtigkeit willen, an die sich heute niemand mehr erinnert, ausser Wönzel-von Ützel, der schon immer nachtragend war und zudem ein Elefantengedächtnis ist).
Sie hatte mir damals erklärt: dass der Schwager des Bruders tief in Schulden stand bei Wönzel-von Ützels Mutters Onkels Firma, irgendetwas mit Import/Export, wie sie sagte, und mit denen, das wisse man, sei, wie man wisse, nicht zu spassen. Und da Familie, wie sie sagte, dort wo sie herkam wichtiger sei als Ehrlichkeit und anders als hier bei uns ... undsoweiter. Deshalb also, erklärte sie mir, und diese Erklärung war, wie ich später herausfand, gelogen, glattweg gelogen sogar, deshalb also sollte dies zwischen uns zwei zumindest jetzt am Anfang besser im Geheimen geschehen, was zudem überhaupt viel aufregender sei, ob ich das nicht auch fände? Ich fand das zwangsläufig auch, und so nahm das Doppelspiel seinen Lauf.
"Und Ihre Lüge?", fragt Edgar, eifrig aber vergeblich bedacht, die Kohärenz des ausufernden Manuskripts zu wahren. "Meine Lüge, sagen Sie", fuhr ihn Klumpfuss an, "Sie bezichtigen mich also der Lüge. (Zum Publikum gewandt, welches im Moment aus drei alten zahnlosen Männern bestand, die nur die lokale Variante des Italienischen verstanden, das mehr an das harsche Kreischen der zahlreichen Seemöwen erinnerte als an eine Sprache, und weit weg, wie der Mond von uns Menschen, von der Sprache Dantes und Garibaldis schien, wie Klumpfuss manchmal zu sagen pflegte, wenn er schlecht aufgelegt war, was in letzter Zeit allzuoft geschah) Was für eine Brut nähre ich da an meiner Brust?" Edgar knirschte mit den Zähnen und zwang sich, kommentarlos weiterzuschreiben.
Edgar, da ist er wieder. Wir hatten ihn schon vermisst. Edgar - für diejenigen, die später zu uns gestossen sind - Edgar ist der treue Privatsekretär Karl Klumpfuss', angeheuert vor einiger Zeit, sagen wir mal, vor ein paar Monaten, im damals noch winterlich kalten grauen nassen ungemütlichen Zürich (der vierte Oktober war es, genaugenommen. Also möglicherweise doch ein schöner sonniger Herbsttag, und Klumpfuss und Edgar statt in der Kronenhalle das Anstellungsgespräch zu führen flanieren der Seepromenade entlang, knietief in gelben und roten Laub, und Klumpfuss legt schon bald seine Hand auf Edgars Schulter und sagt, dass er die Anstellung habe, wenn er sie wolle, wovon er, Karl Klumpfuss, ohnehin ausgehe). Mittlerweile sind sie über Italien und einem von der Forschung noch nicht lokalisierten Dinner auf eine Insel gelangt, wie das Protagonisten seit eh und je geschieht, ein beliebter Topos, wie sie alle wissen, sie brauchen das also wirklich nicht aufzuschreiben. (Aufgeregtes Gemurmel.) Na, mir soll's recht sein, tun sie was sie nicht lassen können. Zu meiner Zeit... aber lassen wir das. Auf einer Insel also, wo Emilia Pompe, bildhübsche Tochter des Gouverneurs, Erinnerungen an Lucia weckte. Die Begegnung war, wie Klumpfuss später in seinem Tagebuch notieren sollte, vergleichbar beinahe mit Prousts heutzutage leider zum Gemeinplatz verkommenen (Aufgeregtes Gemurmel.) Biss in die Madeleine.
Aber hören sie, wenn ich immer diese Rekapitulationen machen muss, ist die Stunde um, vor dem wir überhaupt einen Schritt weitergekommen sind. Wir haben dieses Semester noch viel vor, ich muss ihnen von meinen neusten Forschungen erzählen.
Edgar also fragt, warum er, Klumpfuss, fürchtete, dass jener, Justus Wönzel-von Ützel, ihr, Lucia, hätte begegnen können im Treppenhaus, wenn sie, Lucia, nicht diese unertrügliche Vorahnung gehabt hatte und mitten im Kuss, es war erst der zweite oder dritte, den wir gewechselt hatten, und wir waren, so fand ich, Karl Klumpfuss, langsam richtig warm geworden dabei, wenn Lucia also nicht mitten im Kuss gesagt hätte: "Gut Ding will Weile habe." Mich ziemlich verdutzt zurücklassend nahm sie ihre Tasche und ging, kam wieder, stürmte ins Bad und kämmte ihre Haare, um dann hastig und polternd im Treppenhaus zu verschwinden.
Die Sache nämlich war, dass Wönzel-von Ützel, wie man schon längst ahnt, sich einige Hoffnungen machte, welche Lucia zudem auch noch sich zu schüren befleissigte. Dabei hätte ihre Schönheit längst dafür ausgereicht, wir waren ja beide vom ersten Moment an hin und weg, was nur allzubald in unsere vorher untrübbare Freundschaft sickerte (schon zwei oder drei Tage nach ihrem Auftauchen sind wir uns das erste Mal in die Haare geraten, um irgendeine Nichtigkeit willen, an die sich heute niemand mehr erinnert, ausser Wönzel-von Ützel, der schon immer nachtragend war und zudem ein Elefantengedächtnis ist).
Sie hatte mir damals erklärt: dass der Schwager des Bruders tief in Schulden stand bei Wönzel-von Ützels Mutters Onkels Firma, irgendetwas mit Import/Export, wie sie sagte, und mit denen, das wisse man, sei, wie man wisse, nicht zu spassen. Und da Familie, wie sie sagte, dort wo sie herkam wichtiger sei als Ehrlichkeit und anders als hier bei uns ... undsoweiter. Deshalb also, erklärte sie mir, und diese Erklärung war, wie ich später herausfand, gelogen, glattweg gelogen sogar, deshalb also sollte dies zwischen uns zwei zumindest jetzt am Anfang besser im Geheimen geschehen, was zudem überhaupt viel aufregender sei, ob ich das nicht auch fände? Ich fand das zwangsläufig auch, und so nahm das Doppelspiel seinen Lauf.
"Und Ihre Lüge?", fragt Edgar, eifrig aber vergeblich bedacht, die Kohärenz des ausufernden Manuskripts zu wahren. "Meine Lüge, sagen Sie", fuhr ihn Klumpfuss an, "Sie bezichtigen mich also der Lüge. (Zum Publikum gewandt, welches im Moment aus drei alten zahnlosen Männern bestand, die nur die lokale Variante des Italienischen verstanden, das mehr an das harsche Kreischen der zahlreichen Seemöwen erinnerte als an eine Sprache, und weit weg, wie der Mond von uns Menschen, von der Sprache Dantes und Garibaldis schien, wie Klumpfuss manchmal zu sagen pflegte, wenn er schlecht aufgelegt war, was in letzter Zeit allzuoft geschah) Was für eine Brut nähre ich da an meiner Brust?" Edgar knirschte mit den Zähnen und zwang sich, kommentarlos weiterzuschreiben.
hochzusammengesetzt - 3. Jul, 19:32