Señor Klumpfuss unterdessen am Quai entlanggehend.
Señor Klumpfuss unterdessen am Quai entlanggehend hängt trotz allen gegenteiligen Versicherungen immer noch jener Geschichte nach. Er und Lucia (in dieser Reihenfolge dachte er), zunächst Mal aus Verlegenheit ins Gespräch gekommen, weil diejenige, die er im Auge hatte, den ganzen Abend schon (monatelang, wenn man ehrlich ist), lieber mit diesem und jenem, und wenn sie doch einmal alleine stand er den Mut nicht aufbrachte (trotz, nach Angaben von Freund Wönzel-von Ützel, gelegentlichen Blicken ihrerseits). Und auf der anderen Seite Lucia, überfordert von kühnen Worten, vermögte zwar ab und an den ihren auf der Nase herumzutanzen, längerfristig hingegen ging ihr die rechte Haltung ab. Und was davon falsch verstanden wurde, ging ihr dann erst recht zu weit. Und so hielt sie sich notgedrungen fest an ihm, während er wehmütig ihr sich zuwandte. Dieser schlechte Stern, der über den ersten Wochen hing, schien schon bald zu verschwinden.
Wir trafen die beiden schon einmal an zwischen Tür und Angel, mit trocknendem Kuss auf den Lippen die Treppe hinunterhastend und gerade noch ums Eck geschafft, vor dem Wönzel-von Ützel schwerfällig sein Fahrrad vor Klumpfussens Türe anband (das dritte schon war weg gekommen innerhalb Jahresfrist, und er hatte, wie er sagte, die Nase gestrichen voll. Es sollte, das müsse er jetzt trotzdem mal laut sagen, einer für Ordnung sorgen. Eigenverantwortung, sagte er, unsereiner hat seit der Muttermilch nichts mehr geschenkt bekommen, und selbst die war zuviel und hat uns die falsche Vorstellung mit auf den Weg gegeben über den Gang der Welt. Wenn man hingegen, wie es zumeist geschah, oh ja, er wisse das, man sehe schliesslich tagtäglich die Folgen, auf Schritt und Tritt den Rock gelüpft, was sage ich da, die Tasche nachgetragen, das Geld also einem hinten nachgeworfen ... tatsächlich beginnt ja schon bei den Begriffen, was in der Wirklichkeit sein Unheil treibt ... beispielsweise, und ich greif hier nur eines unter vielen auf, das Steuergeschenk, welches suggeriert, hier werde aus Gutmütigkeit und einer Prise Eigennutz - noch spielt der Wettbewerb - auf Einnahmen verzichtet, welche einem rechtmässig zustünden. Rechtmässig, man stelle sich das vor! Vielmehr ist jeder Rappen, den ich abgeben werden muss (noch, zum Glück, sind es keine), eine Zumutung, oder vielmehr einen Diebstahl. Schon gut, sage ich, Wönzel-von Ützel, du solltest vielleicht mal die Zeitung wechseln, es scheint dir nicht gut zu bekommen). Während Wönzel-von Ützel also schwerfällig sein Fahrrad anband und Lucia innerlich (wo immer das war) noch ganz erzittert die Querstrasse entlang tanzte, stand Klumpfuss mit klopfendem Herzen in der Küche, als die Klingel schrillte.
Nach dem eher notgedrungenen Beginn wurden sie hingegen bald Einherzundeineseele, ein Fall dieser seltsamen Zweisamkeit, wie sie gelegentlich vorkommen kann, und mit der Wönzel-von Ützel Klumpfuss schon einige Wochen in den Ohren lag. Er hatte gelesen, sagte dieser jenem wieder und wieder, einen Roman, frühes mittleres neunzehntes Jahrhundert möglicherweise, nicht einmal die Daten kennen wir mehr, irgendwann also, von irgendwem, einem Deutschem wahrscheinlich, oder ansonsten sehr gut übersetzt. Dort drinnen also sei exemplarisch festgehalten worden, wie es dazu komme, was daraus werde und wie es ende, und dies würde er gerne, zumindest etwas über die erste Hälfte hinaus, selbst erfahren. Denn all dies Gelesene, du kennst das ja, immer hinter deinen Büchern, ist letztenendes doch nur Druckerschwärze auf Papier und wenn man ehrlich ist höchstens eine etwas umständliche Bedienungsanleitung. Den einen oder anderen guten Spruch habe er ja schon davon mitgenommen. So ein eleganter Dialog hätte noch jede beeindruckt, die mitzuhalten vermocht hatte, und um die anderen war es nicht schade gewesen.
Bald schon begann Karl Klumpfuss sich seltsam leer und verlassen vorzukommen, wenn nur schon Lucia im Schlaf sich drehte und ihm den Rücken zuwandte. Dieser aber, der dies nach einigen Wochen doch etwas viel wurde, öffnete wieder ihr Ohr für die schmeichelnden Worte, die jeder zweite, dem es gelang, mit ihr ins Gespräch zu kommen, ihr zu sagen wusste. Schliesslich sei sie neu hier und es sei ihr gutes Recht und, rechtverstanden, ihre Pflicht, die Angebote zu prüfen, immerhin drücke auch er, wenn sie einkaufen gingen, gut und gerne auf vier oder fünf Tomaten herum, bis er die fand, die ihm reif genug schien; und beileibe nicht nur mit den Tomaten tue er das, so schüchtern, wie er sich gerne gebe, sei er wohl auch wieder nicht, davon könne bestimmt manche ein Lied singen, wenn auch noch nur sie diejenige war, die auch zum Tanzen kam.
Diese Beziehung, sagte sich Karl Klumpfuss (wir befinden uns inzwischen wieder im hier und jetzt), der sich unterdessen auf eine glücklich plazierte Mole hatte niederlassen müssen, man war nicht mehr der Jüngste und die Pesthitze, die hier herrschte, tat das übrige, diese Beziehung trieb seltsame Blüten. Während ich von Tag zu Tag mehr und mehr verkümmerte, schien sie über sich hinauszuwachsen, wie der verdammte Dschungel, der diese jämmerliche Hafenstadt mehr und mehr erwürgt: Die prächtigen Kolonialbauten verfallen in dem feuchtkranken Klima, nur zwei drei Balkone, die noch nicht weggebrochen sind, der Stuck schon längst weggefressen, und ringsum das dunkelgrüne Wuchern, einige Aussenquartier mussten schon aufgegeben werden, doch die Bevölkerung apathisch in ihren Hängematten, höchstens gegen Abend ein kurzes Aufbäumen. Wir müssen hier weg, Edgar ist kaum mehr wiederzuerkennen als der aufgeweckte junge Mann, als den ich ihn in Diensten nahm, ich glaube er verachtet mich, was äusserst unverständlich ist, und wird mir früher oder später ... aber diese Gedanken führen zu nichts, wie damals schon, als ich sie endlich musste ziehen lassen, nachdem ich sie, wie ich mir damals noch zugute hielt, unendlich vorsichtig gezogen hatte aus einem schwächlichem Keim. Man muss im Übrigen auch mal dieser Geschlechtermetaphysik auf den Grund gehen, wenn auch das natürlich nur mein Zeitalter ist, das mir den Mund und die Gedanken formt. Item. Es war mir auch damals schon klar ... aber ich sollte diese alten Sachen nicht aufwärmen, es ist hier heiss genug hier, ich habe sie - das versicherte ich auch dem längst überdrüssigen Edgar, treue Seele - heute das letzte mal erwähnt, fortan sollten wieder die erfreulichen Kapitel meines Lebens zur Sprache kommen ... wenn nur bald das Schiff kommt, seit Monaten überfällig, auch gehen die Vorräte in der Stadt langsam zur Neige, während der Gouverneur unverdrossen Empfang nach Empfang gibt und von Stunden oder höchstens Tagen spricht, bis es eintreffen werde, man solle den Kopf nicht hängen lassen, undsoweiter.
Wir trafen die beiden schon einmal an zwischen Tür und Angel, mit trocknendem Kuss auf den Lippen die Treppe hinunterhastend und gerade noch ums Eck geschafft, vor dem Wönzel-von Ützel schwerfällig sein Fahrrad vor Klumpfussens Türe anband (das dritte schon war weg gekommen innerhalb Jahresfrist, und er hatte, wie er sagte, die Nase gestrichen voll. Es sollte, das müsse er jetzt trotzdem mal laut sagen, einer für Ordnung sorgen. Eigenverantwortung, sagte er, unsereiner hat seit der Muttermilch nichts mehr geschenkt bekommen, und selbst die war zuviel und hat uns die falsche Vorstellung mit auf den Weg gegeben über den Gang der Welt. Wenn man hingegen, wie es zumeist geschah, oh ja, er wisse das, man sehe schliesslich tagtäglich die Folgen, auf Schritt und Tritt den Rock gelüpft, was sage ich da, die Tasche nachgetragen, das Geld also einem hinten nachgeworfen ... tatsächlich beginnt ja schon bei den Begriffen, was in der Wirklichkeit sein Unheil treibt ... beispielsweise, und ich greif hier nur eines unter vielen auf, das Steuergeschenk, welches suggeriert, hier werde aus Gutmütigkeit und einer Prise Eigennutz - noch spielt der Wettbewerb - auf Einnahmen verzichtet, welche einem rechtmässig zustünden. Rechtmässig, man stelle sich das vor! Vielmehr ist jeder Rappen, den ich abgeben werden muss (noch, zum Glück, sind es keine), eine Zumutung, oder vielmehr einen Diebstahl. Schon gut, sage ich, Wönzel-von Ützel, du solltest vielleicht mal die Zeitung wechseln, es scheint dir nicht gut zu bekommen). Während Wönzel-von Ützel also schwerfällig sein Fahrrad anband und Lucia innerlich (wo immer das war) noch ganz erzittert die Querstrasse entlang tanzte, stand Klumpfuss mit klopfendem Herzen in der Küche, als die Klingel schrillte.
Nach dem eher notgedrungenen Beginn wurden sie hingegen bald Einherzundeineseele, ein Fall dieser seltsamen Zweisamkeit, wie sie gelegentlich vorkommen kann, und mit der Wönzel-von Ützel Klumpfuss schon einige Wochen in den Ohren lag. Er hatte gelesen, sagte dieser jenem wieder und wieder, einen Roman, frühes mittleres neunzehntes Jahrhundert möglicherweise, nicht einmal die Daten kennen wir mehr, irgendwann also, von irgendwem, einem Deutschem wahrscheinlich, oder ansonsten sehr gut übersetzt. Dort drinnen also sei exemplarisch festgehalten worden, wie es dazu komme, was daraus werde und wie es ende, und dies würde er gerne, zumindest etwas über die erste Hälfte hinaus, selbst erfahren. Denn all dies Gelesene, du kennst das ja, immer hinter deinen Büchern, ist letztenendes doch nur Druckerschwärze auf Papier und wenn man ehrlich ist höchstens eine etwas umständliche Bedienungsanleitung. Den einen oder anderen guten Spruch habe er ja schon davon mitgenommen. So ein eleganter Dialog hätte noch jede beeindruckt, die mitzuhalten vermocht hatte, und um die anderen war es nicht schade gewesen.
Bald schon begann Karl Klumpfuss sich seltsam leer und verlassen vorzukommen, wenn nur schon Lucia im Schlaf sich drehte und ihm den Rücken zuwandte. Dieser aber, der dies nach einigen Wochen doch etwas viel wurde, öffnete wieder ihr Ohr für die schmeichelnden Worte, die jeder zweite, dem es gelang, mit ihr ins Gespräch zu kommen, ihr zu sagen wusste. Schliesslich sei sie neu hier und es sei ihr gutes Recht und, rechtverstanden, ihre Pflicht, die Angebote zu prüfen, immerhin drücke auch er, wenn sie einkaufen gingen, gut und gerne auf vier oder fünf Tomaten herum, bis er die fand, die ihm reif genug schien; und beileibe nicht nur mit den Tomaten tue er das, so schüchtern, wie er sich gerne gebe, sei er wohl auch wieder nicht, davon könne bestimmt manche ein Lied singen, wenn auch noch nur sie diejenige war, die auch zum Tanzen kam.
Diese Beziehung, sagte sich Karl Klumpfuss (wir befinden uns inzwischen wieder im hier und jetzt), der sich unterdessen auf eine glücklich plazierte Mole hatte niederlassen müssen, man war nicht mehr der Jüngste und die Pesthitze, die hier herrschte, tat das übrige, diese Beziehung trieb seltsame Blüten. Während ich von Tag zu Tag mehr und mehr verkümmerte, schien sie über sich hinauszuwachsen, wie der verdammte Dschungel, der diese jämmerliche Hafenstadt mehr und mehr erwürgt: Die prächtigen Kolonialbauten verfallen in dem feuchtkranken Klima, nur zwei drei Balkone, die noch nicht weggebrochen sind, der Stuck schon längst weggefressen, und ringsum das dunkelgrüne Wuchern, einige Aussenquartier mussten schon aufgegeben werden, doch die Bevölkerung apathisch in ihren Hängematten, höchstens gegen Abend ein kurzes Aufbäumen. Wir müssen hier weg, Edgar ist kaum mehr wiederzuerkennen als der aufgeweckte junge Mann, als den ich ihn in Diensten nahm, ich glaube er verachtet mich, was äusserst unverständlich ist, und wird mir früher oder später ... aber diese Gedanken führen zu nichts, wie damals schon, als ich sie endlich musste ziehen lassen, nachdem ich sie, wie ich mir damals noch zugute hielt, unendlich vorsichtig gezogen hatte aus einem schwächlichem Keim. Man muss im Übrigen auch mal dieser Geschlechtermetaphysik auf den Grund gehen, wenn auch das natürlich nur mein Zeitalter ist, das mir den Mund und die Gedanken formt. Item. Es war mir auch damals schon klar ... aber ich sollte diese alten Sachen nicht aufwärmen, es ist hier heiss genug hier, ich habe sie - das versicherte ich auch dem längst überdrüssigen Edgar, treue Seele - heute das letzte mal erwähnt, fortan sollten wieder die erfreulichen Kapitel meines Lebens zur Sprache kommen ... wenn nur bald das Schiff kommt, seit Monaten überfällig, auch gehen die Vorräte in der Stadt langsam zur Neige, während der Gouverneur unverdrossen Empfang nach Empfang gibt und von Stunden oder höchstens Tagen spricht, bis es eintreffen werde, man solle den Kopf nicht hängen lassen, undsoweiter.
hochzusammengesetzt - 7. Sep, 16:18