Weltmännisch den Arm anbieten
Traditionellerweise bildet der Ball den Höhepunkt einer Überfahrt. Wir sehen Karl Klumpfuss, unterdessen in die Erste Klasse aufgestiegen, gerade daran, seinen Schnurrbart zu zwirbeln. Einige wenige Kabinen davon entfernt klappt Elisabeth Patrizia von Schönbein-Lübeck entschieden ihren Schminkspiegel zu. Im Hintergrund poliert ihr Gatte, seines Zeichens Offizier der deutschen, englischen und russischen Marine, gelangweilt seine Duellierpistolen und teilt seiner bezaubernden Gattin mit, dass er, wie er schon mehrmals angekündigt habe, sie nicht auf den Ball begleiten werde, da nur Zivilisten in Friedenszeiten Bälle besuchen. Elisabeth Patrizia verzieht ihren karmesinrotgeschminkten Mund. Klumpfuss rückt unterdessen seine Fliege zurecht, wirft einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, schliesst seine Kabine zu und schreitet pfeifend die Grosse Treppe hinunter Richtung Ballsaal. Elisabeth Patrizia macht wütend ihren Spiegel einige Mal auf und zu und rauscht schliesslich in einer Wolke teuersten Parfüms aus der Kabine. Ihr Gatte poliert ungerührt weiter. Man sieht nun schon kommen, was auch so kam: Klumpfuss an der Bar mit prüfenden Blick im Raum umher erblickt die bezaubernde Offiziersgattin, die mit wütend funkelnden Augen in den Ballsaal stürmt. Jene ohne niemandem einen Blick zu würdigen schnappt sich als allererstes von einem Kellner ein Glas Champagner, stürzt es herunter und nimmt beim nächsten – sie sind wohlweislich immer gerade dort, wo man sie bracht, ganz anderes als hierzulande, wo man sie meistens zuerst aus der Küche hervorzehren muss, wo sie in Rudeln sich mit Kochwein betrinken, Karten spielen und mit den Küchenmädchen anbändeln – ein weiteres. Etwas beruhigt dadurch blickt sie auf. Klumpfuss unterdessen vor ihr stehend schaut weltmännisch zurück und bietet ihr den Arm an. Rundherum bleiben reihenweise Offiziere stehen, keuchend unter der Last ihrer Abzeichen, Auszeichnungen, Kreuzen, Sternen, Bannern und Klumpfuss wusste auch nicht mehr was alles. Sie alle hatten sich beim Eintritt von Elisabeth Patrizia auf sie hin zu bewegen begonnen und kratzten sich nun verlegen am Kopf und taten, als ob ihnen gerade eingefallen war, dass (i) sie doch lieber etwas an der Bar trinken wollten, (ii) ihre Ärzte ihnen strengstens verboten hatten, zu tanzen, da Arthritis, Asthma oder Hirnverfettung, (iii) ihre Gattinnen am Rande des Saals sie mit Argusaugen überwachten.
hochzusammengesetzt - 14. Feb, 21:01