kulturtechniken.
Brutal ist das, sagte er mit Nachdruck, total abartig ist das. Ja, sagte sie. Eine Schweinerei ist das, sagte er, gegen diese Sauerei, gegen die muss man was tun. Die sollen endlich einmal was dagegen tun, statt immer nur zu reden. Ja, sagte sie, ja ja ja.
Und dann schwieg sie bedrückt, denn es war wirklich, wie er sich sehr treffend ausgedrückt hatte, brutal und "total abartig". Oh ja, das traf es ganz genau, den Nagel auf den Kopf hatte er getroffen und passend war's wie die Faust aufs Auge passt und die Westküste Afrikas in die Ostküste Südamerikas.
Dann schwiegen sie beide und schauten etwas umher, nur gab es leider nichts zu sehen. Ja, sagte sie nochmals. Und das war besser, das dachte im Übrigen auch er, als einfach zu schweigen. Man soll, gerade heutzutage, nicht auf den Mund gefallen sein. Ja, sagte sie, den Nagel hast du genau ins Auge geschlagen.
Ja, sagte er, das habe ich.
Und wie du das hast, sagte sie.
Und wie ich das habe, sagte er.
"Das Argument des vierten Kapitels ist in seinen Einzelheiten nicht ganz durchsichtig; vor allem ist mit einer schweren Störung des Textes in 1029b21 zu rechnen."
Die alte und nicht grundlose Regel lautet, nicht mitten in der Nacht (ok, geht so), nicht in der Nacht also, und vor allem nicht bei offenen Fenster mit gelegentlich vorbeifahrenden Strassenbahnen, hineinziehenden deutschen und englischen Zurufen, Lachern und Sprachfetzen, blinkenden Lichtketten im gegenüberliegenden Telecafé, Einkaufsladen, gerne auch bis 3 Uhr morgens, wenns nebenan eine Party gibt; ich bin jetzt abgeschweift; vor allem nicht, wollte ich sagen, wenn man dazu Radiohead hört (auf
verschlungenen Wegen auf die Idee gekommen) - wie's da auf einmal wie früher wird und wie man das heute fast nicht mehr anhören kann, weil: der Sog (und ich habe damals nie verstanden, was das hiess, wenn's hiess: das zieht doch herunter, solche Musik, wieso nicht etwas fröhliches; denn fröhlich, das war unehrlich: was für eine dumme Idee das war!); also jetzt nicht schreiben, weil ich mir am Morgen darüber bloss am Kopf kratzen werden.
Vielleicht sollte man ein Blog für Abends und einen für den Morgen haben, einen für Gedanken, die man gar nicht erzählen will und einen für gelegentliche Updates über mich, wie man mich kennt. Vielleicht noch eines für Selbstbespieglung des Tuns.
Zum Beispiel hätte früher mein Verleger mir Wein nachgeschenkt und genickt und gebrummt und gemeint: ich solle doch das Manuskript nochmals überarbeiten, weil also so, also das wüsste ich doch auch, könnte das also nicht gedruckt werden. Also, würde ich sagen, ich finde es gerade richtig, sogar fast genial. Eben, würde er sagen, eben, sag ich doch.
Heute könnte ich zum Beispiel lässig mit einem
Latte im Café Oberholz sitzen und nebenbei auch noch
twittern; ein neues Phänomen, würde ich meinem Nachbarn sagen, ich mag Phänomene, ich liebe Phänomene. Vielleicht sollte ich es auch verlinken und verbloggen. Er würde aber nur nicken und brummen, in seinen Apfel starren und ab und an einen neuen
Latte bestellen.
Aber in Wirklichkeit ist das Beispiel nur eine Erfindung beispielsweise von Magazinen und Kulturbeilagen, in Wirklichkeit gibts das gar nicht, ausser vielleicht im Café Oberholz,
wo ich gelegentlich vielleicht etwas vergessen könnte, vielleicht ein Manuskript.
F. schreibt offenbar auch Blogs, wie eine undercover arbeitende Journalistin jener Zeitung aufgedeckt hat und Karl Klumpfuss im Vorbeigehen am Aushang eines Kiosks lass. Er lass: F. schreibt offenbar auch Blogs, wie unsere Autorin, welche lieber anonym bleiben will, ein Geheimnis um ihre Identität macht, nicht gekannt werden will und eigentlich auch gar nicht unsere Autorin ist, vielmehr ist der Text anonym übers Email reingeflattert, aufgedeckt hat. Er zuckte nach Aussage von Frau Heinermüller bloss die Schultern. Wir wissen nicht, was er damit sagen wollte. Frau Heinermüller betreut übrigens den betreffenden Kiosk seit Jahr und Tag zuverlässig und liebevoll. Erst kürzlich wieder begeisterte sie mit einer Innovation - "auf eigene Initiative hab ich diese neue Innovation initiert", betont sie gern und immer wieder - mit der Innovation (ich zitiere vom handgeschriebenen Pappschild), folgendermassen beworben und dies nach eigener Aussage sehr erfolgreich: Liebe Kunden: Morgenstund hat Kaffee im Mund. Leckerer Kaffee aus Togo zum Gehen! Hier! Warum gibt es eigentlich kein integriertes Rechtschreibüberprüfungsprogramm in dieser Blog-Maske? Frau Heinermüller also: zuverlässig, rechtschaffen, auf der Höhe der Zeit, bald auch mit WLAN, wie sie mir versichert, meinte, er hätte nur mit den Schultern gezuckt, seinen Kaffee gekauft und eine Zeitung (allerdings eine andere) dazu und vielleicht auch noch etwas weiteres, allerdings wusste sie das nicht mehr so genau. Aber das Achselzucken, das weiss ich noch (sagt sie), überhaupt (fährt sie fort) muss man heutzutage immer am Ball bleiben und ja nicht den Faden verlieren, weil wenns um die Wurst geht ist der Geschwindere halt eben immer noch der Schnellere und den Braten macht so ein Kiosk, das kann ich Ihnen sagen, noch lange nicht feiss, aber probieren Sie doch diese Wiener, die ich seit neustem im Angebot habe.
hochzusammengesetzt kämpft mit unerwartet widerständigen Textblöcken, widerstreitenden Thesen, nörgelnden Argumenten und verlorenen Zusammenhängen. Der Arme. Was soll er bloss tun? Er ist ganz verzweifelt.
Ihre Stimme wird französisch und ihre Augen bekommen einen matten Glanz. Wenn beider Teile Lippenschleimhäute einander berühren, so ist das ihr höchstes Glück. "Der Tod ist sicher", sagt sie unsicher, "ein wesentliches Moment des Lebens. Trinken wir noch ein Glas Wein um den Tag um die Ecke zu bringen. Das Begehren sticht, und beängstigt zuweilen. Elementare Kulturtechniken wie: mit einem Glas Weisswein im Raum umherstehen und lächeln und dann und wann einen Satz fallen lassen. Das ginge noch. Aber mit zwei Gläsern umhersteuern bis hin zu einem Gesicht und nonchalant sagen: 'trinkst du noch ein Glas Wein mit mir um den Tag um die Ecke zu bringen?' Das sind so Sachen. Da wird mir ganz komisch dabei." Es fällt nun auf, wie bleich sie geworden ist. Ihre Stimme wird leiser und zaghafter. Sie bittet, man möge sie doch kurz rausführen, es würde, wie sie sagt, irgendetwas wirbeln in ihrem Kopf, vielleicht seien es auch die Haare, die, wie sie seit einiger Zeit vermute, auch nach innen wachsen würden und ihr Gehirn kitzelten, weswegen Denken schwierig geworden sei, nurmehr diffuses Stechen, welches sie an alle möglichen Orte hintriebe und zu Sachen hinreissen lasse, die sie hier lieber nicht erzählen würde, da man nicht unter sich sei.