Theaterstück.
Der Denker am Schreibpult furcht vor Gedankenleistung die Stirn. Da setzt im Nebenzimmer einen von einem verstimmten Klavier begleiteten Chor dilettantisch zu einem Kirchenlied an. Der Denker blickt missmutig auf, zieht geräuschvoll die Nase hoch, kneift die Augen zusammen und zischt zwischen verschlossenen Zähnen hervor: "Diejenigen, welche zu häuslichen Andachtsübungen auch das Singen geistlicher Lieder empfohlen haben, bedachten nicht, dass sie dem Publikum durch eine solche lärmende (eben dadurch gemeiniglich pharisäische) Andacht eine grosse Beschwerde auflegen, indem sie die Nachbarschaft entweder mit zu singen oder ihre Gedankengeschäft niederzulegen nötigen." Da stürmt eine ausgemergelte Gestalt in den Raum und schreit den Denker, der darob gewaltig erschreckt, ins Gesicht: "Ist der Schauspieler erst einmal in Raserei geraten, so bedarf er unendlich mehr Tugend, um kein Verbrechen zu begehen, als der Mörder Mut nötig hat, um das seinige durchzuführen, und hier, in ihrer Willkür, zeigt sich die Wirkung eines Gefühls auf dem Theater als etwas unendlich viel Gültigeres als die eines verwirklichten Gefühls.”
(Kant: Kritik der Urteilskraft; Artaud: Das Theater und sein Double)
(Kant: Kritik der Urteilskraft; Artaud: Das Theater und sein Double)
hochzusammengesetzt - 21. Jan, 14:31